Der Zuchtversuch

Die Ausgangssituation

Der Deutsch Langhaar wird seit 1879 rein gezüchtet und ist im Vergleich zu vielen anderen Jagdgebrauchshunderassen eine alte Hunderasse.

Rassereinzuchten sind unnatürliche Fortpflanzungsgemeinschaften unter isolierten Voraussetzungen und tragen besonders über den beständigen Auslesevorgang die Gefahr in sich, die genetische Anlage einzuengen und früher oder später Zuchtprobleme durch zu enge verwandtschaftliche Kontakte zu bekommen. Vitalitätsverluste verschiedener körperlicher und nervlicher Ausrichtung können die Folge sein. Von dieser Erscheinung sind alle reingezüchteten Rassen betroffen. Die Tierart Hund wird von Genetikern als inzuchtempfindlich eingestuft.

Der Beschluss

Die Zuchtordnung des Deutsch-Langhaar-Verbandes sieht in ihrer Präambel neben der Erhaltung des typgerechten Erscheinungsbildes und der Leistungszucht vor allem die Förderung funktional- und erbgesunder sowie wesensfester Hunde vor.

Als verantwortungsbewusste Vereinigung der einzelnen DL-Zuchtvereine fasste der DL-Verband auf seiner Hauptversammlung am 16. Juni 2001 in Hermannsburg daher vorausschauend den Beschluss, sich möglicherweise anbahnende Inzuchtdepressionen vorzubeugen und einen vorerst geschlossenen Zuchtversuch mit der Vorstehhundrasse Deutsch-Kurzhaar durchzuführen. Dadurch sollte der Fortbestand der Vorstehhundrasse Deutsch-Langhaar nach entsprechender Bewährung eventuell zusätzlich zu den Vorgaben der Zuchtordnung abgesichert werden.

Der Zuchtversuch sollte nach dem Grundsatz "Vorsorge statt Nachsorge" ablaufen. Ob abschließend eine Überleitung in die DL-Zucht durch Auszucht - so genanntes out-crossing - möglich sein würde, musste sich noch zeigen. Die Zustimmung des VDH erfolgte am 7. November 2002.

Die Auswahl Deutsch-Kurzhaar

Die Reinzucht des Deutsch-Kurzhaar begann ebenfalls zum Ausgang des 19. Jahrhunderts und hat über die vielen Jahre des Zuchtverlaufs zu einem nicht im verwandtschaftlichen Kontakt zu DL stehenden, reinerbigen Vorstehhund geführt. Die DK-Zucht verfolgte zwar nicht deckungsgleiche aber vergleichbare Ziele. Unter genauer Abwägung aller Eckpunkte des Zuchtversuches fiel die Auswahl auf DK nicht mit dem Ziel der Einkreuzung und Förderung von speziellen jagdlichen Eigenschaften, sondern mit der sicheren Einschätzung, Fremdblut zu bekommen und dabei die guten und gefestigten Anlagen des DL nicht zu verändern.

Der Ablauf des Zuchtversuchs

Unter wissenschaftlicher Beratung durch Prof. Dr. Dr. Martin Förster vom Institut für Tierzucht an der Ludwigs-Maximilians-Universität, München wurde nach einem Verfahrensschema die Ausführung des Zuchtversuches mit dem ersten Versuchswurf am 10. 05. 2004 begonnen. Der vorerst letzte Wurf der Versuchsreihe fiel am 13.5.2012. Aus der DK-Population wurden nur Rüden - insgesamt vier - eingesetzt, aus der DL-Population kamen nur Hündinnen zur Anpaarung. Im Rahmen des Zuchtversuchs fielen in der Zeit von 2004 bis 2011 10 Würfe mit insgesamt 80 Welpen.

Die wissenschaftliche Empfehlung sah für den praktischen Ablauf jeweils drei Würfe der Generationen F1 bis F3 vor. Daraus sollten ausgewählte Probanden aus den Würfen der F3-Generation in die Ausgangspopulation DL gehen. Nach der ersten zeitlichen Einschätzung wäre der Versuch in der zunächst vorgesehenen Ausführung im Jahre 2011 abgeschlossen gewesen. Der Ablauf wich allerdings vor allem bedingt durch zeitliche Verzögerungen - Hitzeverschiebungen bei den ausgewählten Hündinnen und Fehldeckakte - von diesem Schema ab. Zur besseren Absicherung des F1-Potentials wurde ein vierter Basiswurf gezogen.

Es kam nicht zur Ausführung des dritten F2-Wurfes und der gesamten F3-Generation.

Übersicht über die gefallenen Würfe

F1-Generation 4 Würfe mit 33 Welpen 2004 - 2006
F2-Generation 2 Würfe mit 23 Welpen 2007 - 2012
Auszucht / 25 % DK 2 Würfe mit 13 Welpen 2009 - 2011
Auszucht / 12,5 % DK 1 Wurf mit 10 Welpen 2011
F1 x Auszucht / 25 % DK 1 Wurf mit 1 Welpen 2012

Aufgrund der entstanden Zeitverzögerung wuden zur grundsätzlichen Erfolgsabsicherung des Versuchsprojektes nach Rücksprache mit der wissenschaftlichen Begleitung Auszuchtanpaarungen vorgezogen, aus dneen 24 Welpen hervorgingen . Sie stellen heute die zunächst geplanten aber nicht aufgekommenen Probanden der F3-Generation dar.

So lief der Zuchtversuch in der Praxis

Die drei Basiswürfe fielen in den Jahren 2004 bis 2006. Aus dieser ersten Generation des Zuchtversuches fielen, wie erwartet, nur Kurzhaar Welpen, denn Kurzhaar ist dominant. Diese drei Würfe aus der F 1 - Generation wurden dann wieder untereinander gepaart. Mit Spannung wurde die zweite Generation erwartet. Am 13. April 2007 war es soweit: Im ersten Wurf der F2 - Generation fielen 9 Welpen, 3 Hündinnen und 6 Rüden. Als Mutter wurden die kurzhaarige Hündin Aenne von Stockey 404/04 ZV aus dem ersten Wurf der F1-Generation und als Vater der kurzhaarige Rüde Brack von Kampstüh 209/05 ZV aus dem zweiten Wurf der F1-Generation eingesetzt. Züchter Klaus Dihstelhoff wählte den Zwingernahmen Katteneckes" aus.

welpen schlafen

Zunächst sahen alle gleich aus

In den ersten Lebenswochen konnte man über die endgültige Haarentwicklung der Welpen noch gar keine Aussagen machen. Alle 9 Welpen waren einheitlich in der Haarausprägung und in der Haarfarbe, sie waren braun. Erst in der 4. bis 5. Lebenswoche bildeten sich nach und nach Unterschiede heraus. Der Wurf hatte sich zu diesem Zeitpunkt gut entwickelt. Der Wurf brachte 3 langhaarige braune Welpen:

Katteneck's Daisy 26/07 ZV, Katteneck's Donna 29/07 ZV, Katteneck's Dunja 31/07 ZV

saeugen

Die übrigen 6 Welpen aus der zweiten Generation sind in ihren Erbanlagen entweder rein kurzhaarig oder mischerbig.

Zuchtversuch - die Dritte

welpe 2

Um das bisher Erreichte abzusichern, wurde eine Hündin aus der F 2 mit einem geeigneten Langhaar Rüden zurück gepaart. Aus dieser Paarung fielen 6 Langhaar Welpen. Selbstverständlich unterliegen auch diese Welpen den strengen Auflagen des Zuchtversuches und dürfen nicht frei zur Zucht eingesetzt werden.

kopf 1kopf 2kopf 3

kopf 4kopf 5kopf 6

Zurück zur Basis

Weil bisher aus dem Zuchtversuch zu wenig Nachkommen gefallen sind, mit denen man weiterarbeiten konnte. Wurde nun ein vierter Versuch unternommen:

ayla aus d holzlandrocky

Die Deutsch Langhaar Hündin "Ayla aus dem Holzland" wurde mit dem Kurzhaar Rüden "Rocky von Neuarenberg" gedeckt. Am 29. 06. fiel der vierte Basiswurf mit 8,3 kurzhaarigen braunschimmel Welpen.

basis wurf 4

Nun konnte mit dieser F 1 Generation wieder ganz nach Plan weiter gearbeitet werden.

Das Ergebnis

Die Versuchsführung hatte eine intensive Durchprüfung aller Probanden sowohl hinsichtlich der Gesundheit, der Wesensmerkmale und der jagdlichen Anlagen vorgegeben. Es waren jeweils immer zwei termingebundene Prüfungsvorstellungen sowohl auf der VJP als auch auf der HZP vorgesehen, einmal davon anlässlich einer Gesamtwurf-Vorstellung einschließlich einer Zuchtschaubeurteilung an wechselnden Orten im Bundesgebiet. Ferner war das Röntgen auf HD, OCD und ED Pflicht. Dieser Zielsetzung wurde so konsequent wie möglich gefolgt. Abweichungen ergaben sich durch Erkrankungen, Unfälle und Tod.

vjp total

Von 65 Welpen wurden vorgestellt:

  • 57 Hunde einmal auf der VJP ( = 88 % der Welpen)
  • 45 Hunde zweimal auf der VJP (= 79 % der Welpen)
  • 54 Hunde einmal auf der HZP (= 83 % der Welpen)
  • 42 Hunde zweimal auf der HZP ( = 78 % der Welpen)

Von den 65 Welpen konnten letztlich 58 auf VJP und HZP vorgestellt werden, davon wurden 98 % mindestens einmal auf einer VJP und 93 % mindestens einmal auf einer HZP vorgestellt.

Gesundheitliche Bewertung

Auf den Zuchtprüfungen sind bei allen Hunden keine Zahn- Augen und Hodenfehler sowie sonstige körperliche Mängel registriert worden. 

Auf den Beobachtungsbögen der Halter wurde jeweils besonders hervorgehoben, dass die Hunde große Leistungsfähigkeit ohne gesundheitliche Probleme mitbringen. Die Hunde haben sich fast ausnahmslos als robust und pflegeleicht erwiesen. Anzumerken sind die in einem Wurf mehrfach aufgetretenen Bänderrisse, in einem anderen Fall vereinzelte Anzeichen von Ohrenzwang und in einem weiteren Wurf die Neigung zur Scheinträchtigkeit. Ungeklärt ist die Ursache für die bei einer Hündin trotz mehrerer Deckakte ausgebliebene Trächtigkeit.

HD-Röntgennachweise liegen von 53 Hunden vor:

  • A bei 47 Hunden (=89 %)
  • B bei 4 Hunden ( 8 %)
  • C bei 2 Hunden (3 %)

OCD-Röntgennachweise liegen von 45 Hunden vor und teilen sich auf in

  • OCD-frei bei 40 Hunden (= 89 %)
  • OCD-Verdacht bei 3 Hunden (= 7 %)
  • OCD-Nachweis bei 2 Hunden (= 4 %)

ED Röntgennachweise liegen von 48 Hunden vor:

  • ED-frei bei 46 Hunden (= 96 %)
  • ED-Verdacht bei 1 Hund (= 2 %)
  • ED-Nachweis bei 1 Hund (= 2 %)

Wesensmerkmale

Hinsichtlich der Wesensmerkmale wurde in den Prüfungszeugnissen der Zuchtprüfungen vermerkt:

  • in fünf Fällen eine mangelnde Schussfestigkeit
  • in vier Fällen Unruhe
  • in einem Fall Stummheit
  • in einem Fall Scheue am lebenden Wild

Diese Verhaltensweisen fallen in einigen Würfen unterschiedlich ausgeprägt, also nur vereinzelt oder auch mehrfach an. In den Beobachtungsbögen der Halter werden die Prüfungsfeststellungen bezüglich Unruhe/Winseln, Nervosität und Unsicherheit bestätigt und noch deutlicher. In einem Wurf taucht auch zeitweilig bei einigen Hunden die Neigung zur Aggressivität gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen auf.

Alle aufgeführten Feststellungen ändern aber nichts an der Tatsache, dass bei der hohen Vorstellungquote das Gesamtbild der Wesensmerkmale als sehr positiv anzusehen ist, wobei vor allem die Anzuchtwürfe - mit einer Ausnahme eines Einzelfalls - hervorzuheben sind.

Jagdliche Anlagen

Der Blick in die Prüfungszeugnisse zeigt die hohe und überwiegend überdurchschnittliche Veranlagung nahezu aller Hunde.

  • Basiswürfe: nur Prädikate im sehr guten Bereich mit Ausnahme eines Wurfs, der mit der Spurleistung bei "gut" liegt
  • F2-Wurf: nur Prädikate im sehr guten Bereich mit Ausnahme eines Wurfes, der bei der Arbeit auf der Durftspur der Ente mit einem Durchschnittswert von 7,38 im guten Bereich liegt.
  • Auszuchtwürfe: ausnahmslos sehr gute Leistungen

Hervorzuheben ist der in allen Würfen einwandfrei verankerte Sichtlaut (nur eine Ausnahme), oftmals sogar in Verbindung mit dem Laut auf der Hasenspur, die Wildschärfe und das überwiegend unbeeindruckte Verhalten bei unangenehmem Bewuchs. Die vorhandene Wasserfreude spiegelt sich in den Prüfungsergebnissen wieder. Hierzu muss aber bemerkt werden, dass wurfbezogene Unterschiede aufgetaucht sind und bei einzelnen Hunden die sehr begrenzt gezeigte Passion bei der Wasserarbeit züchterisch als bedenklich einzuordnen ist. Das Bild der am wehrhaften Wild gezeigten Schärfe liegt aus der Gesamtschau betrachtet über dem Durchschnitt.

Wir können uns sehen lassen!

Der DL-Verband hat 2001 mit der Beschlussfassung zur Durchführung eines zunächst geschlossenen Zuchtversuches durch züchterische Kontaktnahme mit der Vorstehhundrasse DK ein ehrgeiziges und bisher einmaliges Projekt angeschoben und unter den Möglichkeiten eines Zuchtverbandes mit hohem finanziellen Aufwand und großem Einsatz seiner Mitglieder unter wissenschaftlicher Begleitung vorerst zu einem Abschluss gebracht. Der Zuchtversuch sollte neben lenkenden Maßnahmen eine zusätzliche Perspektive zur genetischen Absicherung des DL eröffnen. Im Rahmen des Versuchsprojektes sind unter Abwägung zur Verfügung stehendenr Mittel und Möglichkeiten insgesamt 80 Welpen gezogen worden, von denen bis heute 57 bzw. 54 Hunde einer strengen züchterischen Überprüfung zugeführt werden konnten.

Das Ergebnis dieser Überprüfung ist ermutigend, da aus den wieder langhaarig gefallenen Auszuchtwürfen züchterisch wertvolle Abkömmlinge sowohl im Exterieur als auch in den jagdlichen Anlagen, dem Wesen und in Hinsicht auf die Gesundheit hervorgegangen sind. Sie sollten umgehend ausgewählt und der DL-Ausgangszucht zur Verfügung gestellt werden.

Christoph Rabeler

nachkommen daisi